Conrad Ferdinand Meyer

Blüten schweben über deinem Grabe.
Schnell umarmte dich der Tod, o Knabe,
den wir alle liebten, die dich kannten,
dessen Augen wie zwei Sonnen brannten,
dessen Blicke Seelen unterjochten,
dessen Pulse stark und feurig pochten,
dessen Worte schon die Herzen lenkten,
den wir weinend gestern hier versenkten.

Maiennacht. Der Sterne mildes Schweigen…
Dort! ich seh es aus der Erde steigen!
Unterm Rasen quillt hervor es leise,
Flatterflammen drehen sich im Kreise,
ungelebtes Leben zuckt und lodert
aus der Körperkraft, die hier vermodert,
abgemähter Jugend letztes Walten,
letzte Glut verrauscht in Wunschgestalten.

Eine blasse Jagd: Voran ein Zecher,
in der Faust den überfüllten Becher!
Weh´nde Locken will der Buhle fassen,
die entflatternd nicht sich haschen lassen,
lustgestachelt rast er hinter jenen,
ein verhülltes Mädchen folgt in Tränen.
Durch die Brandung mit verstürmten Haaren
seh ich einen kühnen Schiffer fahren.
Einen jungen Krieger seh ich toben,
helmbedeckt, das lichte Schwert erhoben.
Einer stürzt sich auf die Rednerbühne,
weites Volksgetos´ beherrscht der Kühne.
Ein Gedräng´, ein Kämpfen, Ringen, Streben!
Arme strecken sich und Kränze schweben-
Kränze, wenn du lebtest, dir beschieden,
nicht erreichte! Knabe, schlaf in Frieden!

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