Am Fuße des Baumes – die Geschichte von Marta und Michael

Trauerpodcast – Episode 002

Am Fuße des Baumes – die Geschichte von Marta und Michael

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Ich war 17, er war 19. Da hatte es bei uns gefunkt, berichtet Marta.
Wir waren aus der selben Ortschaft und quasi Nachbarn. Wir gingen in die gleiche Grundschule und hatten schon damals die gleichen Interessen. Ich weiß noch ganz genau, wie er immer mit seinem Fahrrad nach der Schule am Gartentürchen auf mich gewartet hat. Damals war er noch zu klein um über die Hecke zu sehen – er hat sich dann auf sein Rad gestellt um durch den Garten in unser Wohnzimmer zu blicken. Meisten saßen wir da noch beim Mittagessen. Meine Mutter ermahnte mich jedes Mal aufs Neue ich solle doch in aller Ruhe zu Ende essen und aufhören zu schlingen. Ich konnte es aber einfach nicht erwarten, endlich aufzustehen und mein Fahrrad aus der Garage zu holen. An einem Tag – ich kann mich erinnern als ob es gestern gewesen wäre – hat er fast eine dreiviertel Stunde im Regen auf mich gewartet. Er war klatschnass als ich rausgekommen bin. Marta schmunzelt.

Wir sind dann zusammen losgefahren. Vorbei an der Bäckerei, wo mein Vater immer seine geliebten Sonntagsbrötchen holte, vorbei an unserer Grundschule und rein in den Kiosk. Dort haben wir uns dann immer eine gemischte Tüte mit süßen Leckereien für 2 Mark 50 gekauft. Die haben wir aber nicht gleich gegessen – nein nein – die hat sich Michael in seinen Rucksack als Proviant eingepackt.

Dann gleich rechts ums Eck sind wir dann eingebogen, ein schmaler Weg über eine kleine Brücke eines schmalen Flusses. Dann kam auch schon der Fichtenwald. Keine 2 Minuten dauerte es – dann waren wir schon angekommen. Wir parkten unsere Räder in unserer Garage. Ein enges Versteck, geschützt und gut getarnt mit Ästen und Laub. Es sollte ja niemand wissen, dass wir anwesend waren.

Michael machte die Garagentür zu, nur um sicher zu gehen, dass unsere Fahrräder niemand entdecken würde.

Gleich neben unserer Garage befand sich die Eingangstüre unseres Wohnhauses. Wir nannten es unser “Lager”. Wir hatten alles, was wir brauchten um glücklich zu sein. Ein Wohnzimmer, eine Küche und ein Schlafzimmer. Doch geschlafen haben wir dort nie, Marta schmunzelt erneut.

Michael gab mir die Tüte mit den Gummibärchen und sagte ich solle schon mal das Essen vorbereiten. Er komme gleich wieder. Ich hatte zwar vor 30 Minuten vorher erst gegessen, aber darum ging es ja auch nicht. Also habe ich alles liebevoll auf einem Teller angerichtet. Manchmal habe ich schon vorher heimlich etwas genascht. Den Teller stellte ich anschließend auf unseren selbstgebauten Tisch. Michael war eben schon damals handwerklich begabt.
Michael kam dann meistens so nach 5 Minuten wieder. Natürlich wusste ich warum Michael unser Haus verlassen hat und konnte es kaum erwarten ihn wieder zu sehen. Michael brachte mir immer einen Strauß Wiesenblumen mit, den wir anschließend in unsere Vase stellten – ein schmales kleines Loch im Waldboden – unsere Vase eben. Doch bevor es Essen gab musste die Hausarbeit erledigt werden. Hierfür hatten wir einen Besen oder besser gesagt: Ein Stück Ast mit Blättern. Doch für unsere Zwecke völlig ausreichend. Hausarbeit war mein Bereich, also fegte ich mit unserem Besen den Boden und befreite diesen von Laub, kleineres Ästen und Steinen. Michael baute derweil an der Brücke, die uns sicher auf die andere Seite des Baches bringen sollte. Der Bach – oder besser gesagt das Bächlein – war keinen Meter breit. Mit einem Sprung war man eigentlich schon drüben, doch Michael war der Meinung, dass eine Brücke sicherer wäre. Ich müsse dann nicht mehr drüber springen – das wäre für mich sicherer – also musste eine Brücke her. Außerdem wollten wir unser Lager auf der anderen Seite des Bachs erweitern und da würde eine Brücke durchaus Sinn machen.

Nach getaner Arbeit belohnten wir uns mit Süßigkeiten. Wir teilten alles gerecht auf und besprachen, was an dem Tag noch alles zu tun ist. Michael überlas mir die Colakracher – die hatte ich am liebsten. Er mochte sie auch – doch er bestand darauf. Den Teller hab ich anschließend im kleinen Bächlein abgewaschen und zurück in die Küche gestellt.

Marta und Michael waren ein Herz und eine Seele. Sie verstanden sich schon immer prächtig. Beste Freunde eben.

Mit 19 Jahren verliebte sich Michael in seine Marta. Sie ziehen zusammen ins Elternhaus von Michael in die 2te Etage. 2 Jahre später kam die Hochzeit, 3 Jahre später ihre Tochter Stefanie. Beide lebten glücklich und zufrieden zusammen. Ihr Sohn Markus und Schäferhundmischling Brutus machten die kleine Familie komplett.

Heute, 68 Jahre später, ist ein besonderer Tag. Marta feiert Ihren 87. Geburtstag. Ihre Kinder sind zu Besuch. Markus und Stefanie bereits erwachsen und selbst schon Vater und Mutter. Marta liebt ihre Enkelkinder sehr. Ein wahres Geschenk.

Trauerpodcast Podcast Episode 2

Der heutige Tag – eigentlich ein Grund zum Feiern. Eigentlich – denn einer fehlt. Michael. Marta erzählt: Schon zu Lebzeiten hat er sich im Wald wohl gefühlt. Er war sehr mit der Natur verbunden und genoss die Ruhe in dieser Umgebung. Wir unternahmen ausgiebige Spaziergänge mit unserem Hund Brutus. Der Wald – für ihn ein Ort der Zuflucht, der Ruhe und Entspannung.

Der Duft des Waldbodens, die Vögel auf den Fichtenbäumen ihr Lied singend und das ein oder andere Eichhörnchen im Gehölz auf Nahrungssuche. Michael war frei – er war glücklich und zufrieden. Ein Mal am Tag gingen wir los – vorbei an der Bäckerei, vorbei an unserer Grundschule und vorbei am Kiosk. Den Kiosk gibt es mittlerweile nicht mehr. Gleich rechts ums Ecks kam die kleine Brücke und der Fichtenwald. Die Sonne wärmte uns durchs Blätterdach mit ihren Sonnenstrahlen. Im Winter stapften wir durch den meterhohen Schnee und wärmten uns mit einer Kanne Pfefferminztee auf der Bank am Waldrand. Ab und zu gingen wir am alten Lager vorbei. Mittlerweile war alles zugewachsen – die Brücke auf die andere Seite des Ufers längst vermodert und durchgebrochen.
Marga und Michael führten intensive Gespräche, während sie von der auf die Wiese hinabschauten. Von dort hatte man einen wunderbaren weiten Blick. Die Welt schien in Ordnung zu sein. Michael zeigte Marta die Stelle an der er ihr immer Blumen pflückte.

Obwohl heute ihr Geburtstag ist, ist Marta traurig. Sie vermisste Michael sehr. Sie muss ständig an ihn denken. An die gemeinsame Zeit, ihre Unternehmungen. Ihr bester Freund und geliebter Ehemann. Und das fast 60 Jahre lang.

Heute liegt Michael auf einem Naturfriedhof begraben. Er hat sich schon zu Lebzeiten einen Baum rausgesucht, erzählt Marta. Das war sein Wunsch – auch nach dem Leben ein Teil der Natur zu sein. Ich bin froh, dass ich ihm diesen Wunsch erfüllen konnte. Ich pflücke jedes Mal einen Strauß Wildblumen und lege diesen an den Fuß des Baumes, wo seine Urne beigesetzt wurde.

Ich wünschte Michael wäre heute noch hier, sagt Marta. Ich beim Mittagessen und er am Gartentürchen. Heute hätte er bestimmt keine Probleme mehr über die Hecke zu sehen. Marta schmunzelt, während sie sich mit einem Taschentuch die Träne weg wischt.

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